Shape of Water

By MBS

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Das Flüstern des Wassers1

Ausgezeichnet mit 4 Oscars und dem goldenen Löwen in Venedig kreierte Regisseur Guillermo del Toro mit seinem Film Shape of Water (Nicht ganz treffend übersetzt ins Deutsche: Das Flüstern des Wassers) ein überwältigendes Filmkunstwerk.

Die Spannung eines traditionellen Monsterfilms vereint mit Film noir-Elementen; daraus entwickelt sich eine unvergleichliche nonverbale Liebesgeschichte, in der man mit geheimsten Fantasien, verdrängten Begierden und menschlichen Ungeheuerlichkeiten konfrontiert wird. Del Toro lässt seine Geschichte tief unter Wasser beginnen, die circa 1962 vor dem Hintergrund des Kalten Krieges in Amerika spielt.

Ein geheimes Forschungsprojekt der US-Regierung, eine stumme Putzfrau, die sich in eine zunächst erschreckende Kreatur verliebt, ihre beiden besten Freunde als vermeintliche Sowjetspione und ein wagemutiger Raub – all das verbindet sich zu einer einzigartigen, alle Grenzen überwindenden Liebesgeschichte.

Elisa (Sally Hawkins), die seit einem Kindheitstrauma verstummt ist, kommuniziert mit Hilfe von Gebärdensprache. Als sie in dem Regierungslaboratorium, in dem sie als Reinigungskraft arbeitet, jener seltsamen amphibischen Kreatur begegnet, die dort gefangen gehalten wird, kann sie sich ausgerechnet ihr in all ihren Gefühlen verständlich machen.

Denn das geheimnisumwitterte amphibische Wesen wurde nicht nur aus den dunkelsten Tiefen des Wassers emporgezerrt, sondern scheint auch grundlegende adaptive Fähigkeiten von Wasser zu besitzen, indem es die psychischen Konturen jedes Menschen annimmt, dem es begegnet – und sowohl Aggression wie auch grenzenlose Liebe widerspiegeln kann. Dazu Del Toro:

Wasser nimmt die Form aller Gefäße an, in denen es enthalten ist – und obwohl Wasser so sanft ist, ist es zugleich die machtvollste und wandelbarste Kraft des Universums.

Und genauso verhält es sich mit der Liebe, nicht wahr? Egal, in welche Form wir Liebe hineingießen – sie wird zu dieser Form, sei es ein Mann, eine Frau oder eine Kreatur.

Das Wesen, das auf der Grenze zwischen Mensch, Tier und Mythos existiert, wird von Doug Jones verkörpert. Dank eines mit großer Sorgfalt entworfenen prosthetischen Kostüms und seines Talents für physische Expressivität gelingt es ihm, die Kreatur zum Leben zu erwecken. Obschon eine Laune der Natur, hat es etwas Engelhaftes; wenn es in das Leben menschlicher Wesen tritt, scheint es ihre verborgenen Sehnsüchte hervorzubringen und zu verstärken.

Jones konnte sein besonderes Talent schon mehrfach in del Toros Filmen zum Ausdruck bringen. So verkörperte er unvergesslich den Pale Man in der Fantasy-Parabel Pan’s Labyrinth, in der ein Mädchen dem spanischen Bürgerkrieg in eine Phantasiewelt entfliehen kann.

Als Antipode zu Elisa dient der kalte Krieger, der die amphibische Kreatur mit unerbittlicher Entschlossenheit bis tief in den Amazonas hinein jagte: Richard Strickland (Michael Shannon), ein ehrgeiziger, von sich selbst überzeugter Regierungsagent ist das eigentliche Ungeheuer, der in seiner ungewöhnlichen Beute lediglich eine wilde Bestie sieht, die grausam gezähmt werden muss und ein Ticket für seine Beförderung sein soll.

Besonderer Reiz liegt auch in der Ironie, dass die Laboratoriumsleiter denken, sie würden gegen mächtige Sowjetspione kämpfen, dabei sind es zwei Putzfrauen und ein Künstler. Ihre beiden Freunde sind das einzige Erfreuliche in Elisas Leben; nur mit ihnen ist ihre Einsamkeit erträglich, bevor Elisa der Kreatur begegnet.

Ihr Nachbar Giles ist ein einsamer, vom Pech verfolgter Werbezeichner und begeisterter Musical-Liebhaber, ihre Kollegin Zelda hat nicht nur gelernt, Elisa zu verstehen, sie tauscht sich mit ihr aus, amüsiert mit alltagstauglicher Lebensweisheit und verbündet sich schließlich mit ihr zur finalen Rettungsaktion.

Die berührende Geschichte über Hoffnung und Erlösung stellt den Begriff der Monstrosität mit Hilfe einer Liebesgeschichte auf den Kopf. In Form eines Märchens erfährt ein einfaches menschliches Wesen etwas ungeheuer Gewaltiges, etwas, das alles überstrahlt, was es bisher erlebt hat. Diese Liebe kontrastiert zu dem Banalem und Bösem wie dem Hass zwischen Nationen, dem Kalten Krieg und dem Hass zwischen Menschen. Und wo, außer im Traum oder im Kino, ist es möglich, in einem mit Wasser gefüllten Raum wundervollen Sex mit einem Amphibienwesen zu haben?

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Del Toros Filme haben eine befreiende Wirkung, die jedem Individuum seine Berechtigung zugestehen, wichtig insbesondere in heutigen Zeiten. Die Anfänge seiner Leidenschaft, das Publikum gleichermaßen zu ängstigen und zu verzaubern, finden sich schon in seiner frühen Kindheit. Geboren in Guadalajara in Mexiko entwickelte er bereits als kleine Junge ein Faible für Spukgeschichten, Monsterfilme und Märchen, die seine eigene Fantasie beflügelten. Die perfekte Filmtechnik lässt vergessen, dass es lediglich seine Fantasien sind. Der 53-jährige diesjährige Jurypräsident von Venedig erklärte in seiner Dankesrede, er glaube an das Leben, die Liebe, aber auch noch an Monster. Unterhaltsamer kann dieser Glaube nicht umgesetzt werden. Als er begann, Drehbücher zu schreiben und Regie zu führen, verbanden sich all diese Einflüsse zu dem einzigartig expressivem Stil, der zu seinem Markenzeichen geworden ist und der facettenreich menschliche Psyche intuitiv thematisiert. 

Filmkunstwerke dieser Art leben auch von einem atmosphärisch stimmigen Soundtrack. Guillermo del Toro arbeitete zum ersten Mal mit dem Oscar-prämierten Komponisten Alexandre Desplat zusammen. So ermöglicht die fehlende verbale Kommunikation des Liebespaares mehr Raum für die musikalischen Leitmotive der einzelnen Figuren und die visuellen und musikalischen Reminiszenzen an das klassische Kino der 50er verstärken noch die besondere Magie des Films.

Oscarprämiert war schon Pan’s Labyrinth ein Meilenstein der Filmgeschichte; Shape of Water wird mit der Verwandlung der Protagonistin von einer einsamen machtlosen Frau zu einer Heldin, die enorme Risiken bewältigt, sicherlich auch wieder ein solcher werden. Er wurde verdient mit 4 Oscars ausgezeichnet: Bester Film, Regie, Ausstattung und Filmmusik; die sogar hier verlinkt zum reinhören…2 Ab 15.2.2018 im Kino.

  1. Beitragsbilder: ©2018 Twentieth Century Fox
  2. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?time_continue=17&v=cyctc1v1JCQ, Zugriff 15.2.2018

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