Berlinale 2018

By MBS

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die besten Styles1

Die Berlinale 2018 begann zum ersten Mal mit einem Animationsfilm, trotzdem gab es ein fulminantes Staraufgebot: Zu Wes Andersons Film Isle of Dogs – Ataris Reise waren die illustren Sprecher der animierten Figuren zahlreich erschienen: Tilda Swinton, Bill Murray, Liev Schreiber, Greta Gerwig, Bryan Cranston und Jeff Goldblum vertraten weitere bekannte Schauspieler wie Edward Norton, Scarlett Johansson, Harvey Keitel und Yoko Ono.

Nur der Autorenfilmer Wes Anderson konnte für seine zweite Stop-Motion Abenteuergeschichte ein solches Staraufgebot als Synchronsprecher gewinnen; auch in der deutschen Synchronisation erzählt die Stimme von Clive Owen.

Es ist die Geschichte von Atari Kobayashi, dem 12-jährigen elternlosen Pflegesohns des korrupten Bürgermeisters der Stadt Megasaki. Auf dem japanischen Archipel nimmt in zwanzig Jahren die Hundepopulation seuchenartige Ausmaße an, es kommt zu einem Ausbruch der Hundegrippe. Sie droht die Artenschranke zu überwinden und auf die Menschen überzugreifen.

Bürgermeister Kobayashi fordert eine schnelle Quarantäne: Die Abschiebung und Einhegung aller Hunderassen, Streuner wie Haustiere. Per Notverordnung wird Trash Island, eine riesige Mülldeponie, zur Insel der Hunde.

Dame Helen Mirren in einem wunderschönen grauen Tüllkleid

Jeff Goldblum trotzt dem typischen Berlinale-Wetter im hellem PRADA Outfit mit modischem Comic-Muster

Sechs Monate später macht sich Atari in einem winzigen Miniatur-Propellerflugzeug auf den Weg und schließlich auf der Müllhalde eine Bruchlandung auf der Suche nach seinem Hund Spots. Dort freundet er sich mit einem Rudel Mischlingshunde an und bricht mit ihrer Hilfe zu einer epischen Reise auf, die das Schicksal und die Zukunft der ganzen Präfektur entscheiden wird.

Denn dieses Rudel von fünf verlassenen und hungrigen, aber stolzen Hunden klettert zu dem Flugzeugwrack und entdeckt den aus dem brennenden Rumpf torkelnden zwölfjährigen Piloten Atari. Mit der Unterstützung seiner neugewonnenen tierischen Freunde geht Atari auf die Suche nach seinem verlorenen Hund Spots und enthüllt eine Verschwörung, die alle Hunde von Megasaki City mit endgültiger Vernichtung bedroht.

Liev Schreiber im klassischem Anzug

Außenminister Heiko Maas ganz in schwarz mit Lebensgefährtin und Schauspielerin Natalia Wörner in blauer Robe von Lana Müller

Die Handlung mit ihren mitteilsamen humorvollen Hunden, pelzigen femme fatales, einem Kinderpiloten, einem furchtlosen Schulreporter, mutierenden Viren, einer mythischen Insel und der sukzessiven Aufdeckung eines riesigen menschlichen Fehlers entwickelt sich nach und nach zu einer gemeinsamen actionreichen Odyssee.

Jedes Mitglied des kommunikativ begabten Trash Island-Rudels hat einen bekannten Hundenamen, der uns verrät, dass diese Hunde einst geliebt wurden und in der gesellschaftlichen Rangliste ganz oben standen: Chief, Rex, King, Duke, Boss. Diese Namen erinnern sie umso schmerzlicher an den Verlust ihrer alten Heimat bei den Menschen.

Schauspielerin Emilia Schüle in einer geschmackvollen Christian Dior Robe

Regisseur Wes Anderson trägt Jackett mit Fliege und mintgrünem Hemd

Bereit für Absprung? Ab 10.5.18 im Kino2

In über 130.000 handgefertigten Standbildern wird die Illusion einer besonderen Heldengeschichte erzeugt und die Freundschaft zwischen Mensch und Hund mit Herz und Humor zum Leben erweckt. Eine Vorlage für Anderson waren die sozialkritischen Filme des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa.

Der Animationsprozess wurde in den letzten Jahrzehnten durch spezielle Software und Digitalkameras perfektioniert; u. a. mit Hilfe von Canon IDX-Digitalkameras und einer Software namens Dragonframe.

Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton in einem ungewohnt schlichten, aber eleganten Look

Daniel Brühl im Smoking, Felicitas Rombold in einer rosa Seidenrobe von PRADA

Für den nächsten Kino-Besuch eine Auswahl aus aktuellen Kollektionen (*Anzeige):

Regisseurin und Schauspielerin Greta Gerwig in Valentino, die auch ihren eigenen Film Lady Bird bewarb, in Begleitung von Jeff Goldblum und Bryan Cranston

Modell Toni Garrn in einer weißen BOSS Robe aus paillettenartigem Stoff

Herausragender Film von Emily Atef über das letzte Interview von Romy Schneider3

Unbemerkt verstreicht der Moment, ab dem man nicht mehr wahrnimmt, dass es Marie Bäumer und nicht Romy Schneider selbst ist, die mit faszinierender Aura die Leinwand beherrscht. 1981 war Romy Schneider drei Tage lang, laut Stern-Magazin, nicht in ihrer besten Form: Offiziell um sich auf ihren letzten Film Die Spaziergängerin von Sans-Souci von Jacques Rouffios vorzubereiten, verbrachte sie einige Tage in einem Kurhotel in der Bretagne. Dort empfing sie zeitgleich mit ihrer Kindheitsfreundin Hilde auch den Journalisten Michael Jürgs und den Fotografen und Freund Robert Lebeck, um zum letzten Mal öffentlich darüber zu sprechen, was sie runterbringt, sie krank macht und hilflos erreicht für die Flasche (Stern, 23.4.1981).

Spätestens nach dem Interview war klar, dass dieser Aufenthalt in Wahrheit ein Entzugsversuch war. Mehrere Themen spitzten sich zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben zu: Im Jahr 1979 hatte Schneiders Ex-Ehemann Regisseur Harry Meyen Selbstmord begangen, ihre Scheidung von Ehemann Daniel Biasini und ein Sorgerechtsstreit um ihren Sohn David drohte, eine tumorbedingte Nierenoperation und finanzielle Sorgen zwangen sie körperlich und psychisch in die Knie. Dazu ihre selbstzerstörerischen Tendenzen wie Alkohol- und Medikamentenmissbrauch und Kettenrauchen; all das bringt den großen europäischen Filmstar im Interview zu der Aussage: Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider.

Originalfoto aus dem Stern-Interview ©Robert Lebeck

Die Freundschaft des Fotografen Robert Lebecks mit Romy trug dazu bei, dass das Interview zustande kam und führte zu den einzigartigen Fotos in Quiberon. Es war Romys dringender Wunsch, sich der Welt so zu präsentieren, wie sie wirklich war und das Sissi-Image endgültig hinter sich zu lassen. Denn längst drehte sie mit renommierten Regisseuren wie Orson Welles, Visconti und Claude Sautet, aber in Deutschland nahm man es ihr nach wie vor übel, dass sie dem Land beruflich den Rücken gekehrt hatte. 

Obwohl sie anfangs noch souverän den Spieß umdreht und Jürgs befragt, kann sie sich im Laufe des Interviews immer weniger von dem Journalisten distanzieren. Schon nach der ersten persönlichen Frage greift sie hilfesuchend zur längst von ihm bereitgestellten Weinflasche, ignoriert Warnungen ihrer Freundin Hilde vor der gezielten Manipulation und beendet das Interview schließlich mit einem hysterischen Lachkrampf.

Regisseurin Emily Atef, Marie Bäumer und Charly Hübner bei der Weltpremiere im Berlinale Palast. Fotos der Premierengäste: ©MBS4

Jürgs Darsteller Robert Gwisdek, Emily Atef und Festivalleiter Dieter Kosslick

Weder entzog sie sich Jürgs’ übergriffiger Fragestellung (Sie sind Anstiftung zur öffentlichen Störung), noch spielte sie vor der Fotokamera Lebecks den Star; das macht das Quiberon-Interview zu einem so authentischen Dokument in Romy Schneiders Biographie und Marie Bäumers Interpretation in diesem perfekt verdichtetem Film auch so beeindruckend.

Erstaunliche Geständnisse und eine totale, fast therapeutische Öffnung machen deutlich, dass Romy Schneider auf allen Ebenen ohne Filter arbeitete; dies war ihre besondere Gabe, mit der sie zeitlebens das Publikum berührte, an der sie letztendlich aber auch zugrunde ging. Mit ähnlich überzeugender Präsenz gelingt es Marie Bäumer, die Ambivalenz dieser Ikone mit all ihren Facetten glaubhaft darzustellen.5

Der Film ist eine Momentaufnahme einer Zeit in ihrem Leben, in der sie sich zum Ende des Films für einen kurzen Moment aus der Krise befreien kann. Hilde beweist sich trotz der auch für sie schwierigen Abstürze als wahre Freundin; ihr Freund Robert Lebeck bestärkt sie darin, selber zu entscheiden, wann sie arbeiten und wann sie mit ihren Kindern zusammen sein will.

Sie beherzigt die Worte ihrer Freunde und erlebt letzte glückliche Tage mit ihrer Tochter, die Lebeck nochmals fotografisch festhält.

3 Monate später verunglückt ihr geliebter Sohn David tödlich, ein Paparazzo geht sogar soweit, die Leiche ihres Sohnes abzulichten, sie selbst stirbt ein Jahr später an Herzversagen.

Auf der Weltpremiere sah man viele gutgelaunte Premierengäste…

Im Bewusstsein der extremen biografischen Daten ist die unbändige Lebensfreude, die Marie Bäumer alias Romy zum Ende des Films wieder ausstrahlt, nahezu frappant.

Mit Charly Hübner als Robert Lebeck, Birgit Minichmayr als ihre Freundin Hilde und Robert Gwisdek als erst manipulativen, zuletzt noch leidlich fairem Journalisten Jürgs vervollständigt die in Berlin geborene iranisch-französische Regisseurin Emily Atef das fast kammerspielartige Ensemble.

Loyalität und Bodenständigkeit ihrer Freundin Hilde (Hervorragend dargestellt von Birgit Minichmayr) bewahren Romy Schneider in Quiberon noch vor dem endgültigen Absturz.  

Der Film ermöglicht eine sehr französische Sicht auf den Mensch Romy Schneider; dort war sie immer die Schauspielerin, die sie selber gerne sein wollte, ausgezeichnet mit 2 Césars für ihre anspruchsvollen und vielschichtigen Charakterrollen.

Von Coco Chanel zu einer modernen, mondänen und verführerischen Frau gestylt verehrten die Franzosen Romy als geheimnisvolle, verruchte oder provokante Femme fatale des französischen Kinos.

Emily Atef hat den über 80-jährigen Robert Lebeck kurz vor seinem Tod einige Male besucht. Er war bereits sehr krank, aber seine Erinnerung an die Zeit war sehr klar. Der Vorschlag für den Filmtitel kam von ihm.

Für den aus Filmen wie Das Leben der anderen und Unter Nachbarn sowie aus Polizeiruf 110 bekannte Charly Hübner ist der Fotograf Robert Lebeck sicher eine seiner ungewöhnlichsten Rollen. 

Vor dem heute noch geöffneten Hotel findet sich die Felskonstellationen wie auf Lebecks Fotos, so konnte Regisseurin Emily Atef auch für die Felsenszenen eine ähnliche Atmosphäre schaffen. Seine Schwarz-Weiß Bilder in der Bar, während des Interviews und auf den Felsen zeigen Romy so offen und verletzlich wie nie zuvor. 

Die ganze, heute unvorstellbare Situation zwischen ihr, ihrer Freundin und den Journalisten ähnelte fast einer intimen Unterhaltung unter Freunden.

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt bis zum 22.7.18 Fotografien aus dem Protestjahr 1968 aus aller Welt von Robert Lebeck. 

Die Idee, aus dem Interview einen Film zu machen, stammte von dem verstorbenen französischen Produzenten Denis Poncet, einem Freund Marie Bäumers. Sie lebt in Frankreich und ist, ähnlich wie Romy, sehr frankophil.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich immer geweigert, eine Hauptrolle in einem Biopic- oder Fernsehfilm über Romy Schneider zu spielen. In diesem Film ist Romy aber nicht der Star, sondern ein Mensch in einer Lebenskrise, die sich für kurze Zeit selbst entdeckt; das gab den Ausschlag für Marie Bäumer. 

Ihr besonderes Gespür für nachhaltige Bilder, aber auch für relevante Nuancen zeigte Emily Atef schon in Das Fremde in mir (2008), Töte mich (2012) oder Wunschkinder (2016).

Dieser Film ermöglicht dem Zuschauer einen kurzen, aber eindringlichen Einblick in Romy Schneiders letztes Lebensjahr, ihre getriebenen, aber auch noch wenige glückliche Momente.

Ab 12.4.2018 im Kino. Sehr zu empfehlen…

Originalfoto aus dem Stern-Interview ©Robert Lebeck

Bild unten: Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit dem deutschen European Shooting Star Franz Rogowski, der gleich in zwei Wettbewerbsfilmen vertreten ist: In Transit und In den Gängen

Außer Konkurrenz zeigt der amerikanisch-britische Thriller 7 Tage in Entebbe mit Daniel Brühl und Rosamund Pike die Entführung einer Air-France-Maschine mit mehr als 100 Geiseln auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris 1976.

Bild unten: Neun europäische Nachwuchsschauspieler/-innen wurden als European Shooting Star geehrt. Die Auszeichnung macht jedes Jahr auf besondere Talente aufmerksam und gilt als Sprungbrett für eine internationale Karriere.

Die European Shooting Stars Matilda De Angelis, Jonas Smulders, Irakli Kvirikadze, Eili Harboe und Réka Tenki

Bei der Weltpremiere des außer Konkurrenz laufenden Films Unsane begrüßte Dieter Kosslick den Regisseur und Oscar-Preisträger Steven Soderbergh, die Hauptdarsteller Claire Foy und Joshua Leonard sowie die Drehbuchautoren und Produzenten des Films auf dem roten Teppich. Außer seiner bedrohlichen Handlung macht die Aufnahmetechnik diesen Film besonders; Soderbergh hat ausschließlich mit einem iPhone gedreht, angeblich in nur 2 Wochen. 

In dieser Dystopie verlässt eine junge Frau ihre Heimatstadt, um ihrer belastenden Vergangenheit und einem Stalker zu entfliehen und beginnt einen neuen Job. Als sie jedoch unfreiwillig in einer psychiatrischen Einrichtung festgehalten wird, wird sie mit ihren größten Ängsten und ihrem Verfolger konfrontiert – aber ist das real oder nur Einbildung?

Spannender Psychothriller von Steven Soderbergh6

Da anscheinend niemand bereit ist, ihr zu glauben und die Behörden ihr nicht helfen können oder wollen, muss sie sich mit ihren Ängsten direkt auseinandersetzen. Verbündete verschwinden auf unerklärliche Weise, sie scheint endgültig ihrem Peiniger ausgeliefert zu sein. Kafkaesk drängt das System sie in die Ecke und scheint ihren anfänglichen Widerstand auch brechen zu können.  

Durch unterschiedliche Blickwinkel und eine schockierende Geschichte stellt Unsane – Ausgeliefert Fragen über unsere Sichtweise der Realität, unseren Überlebensinstinkt und hinterfragt Systeme, die uns eigentlich schützen sollten.78

Soderbergh rechnet mit korrupten (Gesundheits-)Systemen ab, denen jedes Mittel recht ist, um Rendite zu erwirtschaften; der Patient ist dem ausgeliefert, wenn er sich nicht selber schützen kann. Die Protagonistin setzt sich zur Wehr, aber um welchen Preis?

Seit seinem Durchbruch mit Sex, Lügen und Video in den 90er Jahren hat Soderbergh immer wieder neue experimentelle Ansätze verfolgt, teils sehr erfolgreich und oscarprämiert, teils ist er damit aber auch grandios gescheitert. Man darf gespannt sein, was es diesmal wird…

  1. Beitragsbilder Isle of Dogs: © 2018 Twentieth Century Fox/Sebastian Gabsch
  2. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=8XkYLvuRrkY, Zugriff 16.2.2018
  3. Filmfotos aus 3 Tage in Quiberon: ©Rohfilm Factory/Prokino/Peter Hartwig
  4. Fotos der Premierengäste von 3 Tage in Quiberon, European Shooting Star, 7 Tage in Entebbe©MBS
  5. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=JL7KXgshJlg, Zugriff 20.2.2018
  6. Filmfoto aus Unsane: ©Fingerprint Releasing/Bleecker Street
  7. Foto Cast Unsane: ©2018 Twentieth Century Fox/Fotograf: Sebastian Gabsch
  8. Videonachweis Unsane: https://www.youtube.com/watch?v=a21_HveRVoc, Zugriff 22.2.2018. 

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