Nationalmuseum von Jean Nouvel in Katar

By MBS

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Nationalmuseum von Atelier Jean Nouvel1

Die arabische Architektur ist wie die Sonne. Man kann sie nicht einfach verpflanzen. Schauen Sie sich all diese Scheiben meiner Sandrose an – sie sind gemacht, um in jeder Sekunde neue Schattenflächen hervorzuzaubern. Klima, Licht, Ornament – diese Poesie versuche ich in meinen Arbeiten umzusetzen.

Architektur ist ein Phänomen der langen Dauer. Sie reagiert nicht auf kurzfristige Ereignisse. Sie ist gebaut für die Jahrhunderte, die kommen, und die Jahrhunderte, die hinter uns liegen. [Jean Nouvel]

2Mit 539 Scheiben und 7000 Tonnen Beton erschuf der französische Star-Architekt und Pritzker-Preisträger Jean Nouvel in 10 Jahren Bauzeit nun seinen zweiten spektakulären Museumsbau im arabischen Raum nach dem Louvre Abu Dhabi. Während dort Kunst verschiedener Epochen und Regionen gezeigt wird und er den Bau einer arabischen Altstadt nachempfand, symbolisiert die Architektur des Nationalmuseums durch seine Form einer Sandrose die Kultur von Katar mit all ihren alten und neuen Facetten.

Für ca. 400 Mio.$ werden auf 40.000 qm² Fläche 8000 Exponate multimedial inszeniert. Auch der Außenbereich betont die bionische Ästhetik, hierfür entwarf der französische Bildhauer Jean-Michel Othoniel eine Installation mit mehr als hundert Brunnen. VIPs aus der ganzen Welt wurden zur Eröffnung extra eingeflogen, die erst 1971 gegründete absolute Monarchie Katar scheut keine Kosten und Mühen, der Welt ihre Erfolgsgeschichte zu präsentieren. 

Sandrosen inspirierten Jean Nouvel zu diesem Bau: Sie bestehen meist aus Sandkörnern, die in einem Kristall aus Gips oder Baryt eingebettet sind. Sie entstehen in heißen und trockenen Wüstengebieten, indem Grundwasser durch schnell verdunstende Oberflächenfeuchtigkeit nach oben gefördert wird.

Die im Wasser enthaltenen Mineralien kristallisieren durch die fortschreitende Verdunstung aus und bilden zusammen mit dem Sand die charakteristische, blattförmige Kristallstruktur der Sandrose. Diese Reminiszenz ist mehr als gelungen.

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Diesem Entstehungszyklus nachempfunden soll das neue Museum direkt neben dem ehemaligen Herrscherpalast von 1906 eine ähnlich langlebige Entwicklung nehmen. Über 400m erstreckt sich das Gebäude außen entlang der Strandpromenade und ermöglicht innen eine 1,4 km lange Reise durch 400 Millionen Jahre Geschichte und Kultur des Landes in zwölf großen Ausstellungssälen.

Die Gebäudestruktur leitet den Besucher in einem Rundgang zum alten Herrscherpalast, dem Hauptexponat. Die Scheibenstruktur dient einerseits dem Sonnenschutz, erschafft aber auch sowohl im Außenbereich als auch in den Innenräumen eine besondere Ausstellungsästhetik, die noch multimedial durch exakt auf die asymmetrischen Wände zugeschnittene Filme betont wird.

Neben der Fußballweltmeisterschaft 2022 hat sich Katar mit dem National Museum of Qatar einen weiteren Anziehungspunkt erschaffen. Für den Emir von Katar Tamim bin Hamad Al-Thani gilt das Museum als Ausdruck unserer arabischen kulturellen Identität.

Mit dem Bau möchte das Emirat wohl auch betonen, dass es sich von der nun 2-jährigen Blockade seiner Nachbarn Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht beeindrucken lässt. Und natürlich soll es wie bei den Nachbarn aufzeigen, dass sich die Staaten am Golf schon längst neu für die Zeit nach der Öl- und Gasförderung aufgestellt haben.

Das Museum wurde von Nouvel an der Corniche, der Strandpromenade von Doha, so positioniert, das es zum Meer hin abgesenkt ist, um den alten Herrscherpalast nicht zu verdecken. So korreliert Altes und Neues in perfekter Symbiose.

Das Ikonographische des Gebäudes hat wie beim Guggenheim in Bilbao das Potenzial, Katar und seinen nur 2,7 Mio. Einwohnern eine zukunftsorientierte Identität und architektonisches Alleinstellungsmerkmal zu verleihen.

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3Ein besonderes Artefakt ist der mit 1,5 Millionen Perlen, Diamanten, Smaragden und Saphiren besetzte Baroda-Teppich aus dem 19. Jahrhundert, der einst im Besitz der Maharani Sita Devi of Baroda war. Früher waren die Einwohner Katars Beduinen und lebten von der Perlenfischerei. 

Heute hingegen sind die frühere Öl- und heutige Gasförderung die Quellen von Katars Reichtum; dies thematisieren Förderungsanlagen und ein spektakulär inszenierter Film von Doug Aitken. So steht die Ausstellung selber für den Übergang von der Rohstoff- zur Wissensgesellschaft. 

Die Unterstützung islamistischer und terroristischer Organisationen sowie der immense CO2-Ausstoß seitens Katars konterkarieren das wirklich schöne Museumskonzept. Statt im Jemen einen Stellvertreterkrieg zu führen, sollten die arabischen Staaten sich lieber weiterhin einen Wettbewerb der imposantesten Architekturen liefern; ohne Kriegsopfer und Menschenrechtsverletzungen.

Dann würden nicht nur die WM 2022, sondern auch die beeindruckenden neuen Bauten in Doha u. a. von I. M. Pei und Rem Koolhaas einen ungetrübten Besuch ohne schlechtes Gewissen ermöglichen.4

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  1. Bildnachweise: ©Iwan Baan
  2. Bildnachweis_Außenansicht: ©Othoniel studio/Martin Argyroglo
  3. Bildnachweise oben & unten: National Museum of Qatar ©Danica O. Kus
  4. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=N42oXNtpOAc, Zugriff 11.04.19.
  5. Vgl. Brown, o. J.

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