By MBS
Posted in Kunst
Berlin Art Fair
@Flughafen Tempelhof 2021
Bild oben: Dancer, 2005 ©Manoj Kumar Jain @Under The Mango Tree Gallery
Mitte September 2021 konnte man auf der POSITIONS wieder zeitgenössische Kunst mit spannenden Herangehensweisen, aber auch gesellschaftspolitischen Stellungnahmen erleben. Künstler*innen thematisierten globale Herausforderungen wie Klimawandel, Schattenseiten globalisierter Wirtschaft, Migration und Fremdenfeindlichkeit. Es galt immer noch Masken- und Abstandspflicht, aber die 3G-Regeln ermöglichten einen anregenden Kunstgenuss in den gutbelüfteten Hangars des Flughafen Tempelhofs. Gefördert mit dem Bundesprogramm Neustart Kultur zeigten 110 Galerien aus mehr als 16 Ländern über 400 Positionen; ergänzt von der Fashion Positions mit künstlerisch inspirierter Mode.
In Zeiten permanenter Veränderung positionieren sich Künstler*innen in den letzten Jahren verstärkt zu politischen Themen, die Hauptstadtkunstmesse etabliert sich als künstlerisches Pendant zur Berlinale. Kunst kann den Fokus auf Missstände richten, Rezipient*innen obliegt es, eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Im besten Fall motiviert Kunst dazu, sich auseinanderzusetzen, Werke zu erwerben und vielleicht auch darüber hinaus Veränderungen anzugehen. Nicht nur der indische Fotograf Manoj Kumar Jain und der südafrikanische Künstler Maurice Mbikayi inszenieren in ihren Arbeiten Postkolonialismus, Missbrauch von Niedriglohn-Arbeitern sowie ökologische und gesundheitliche Gefahren von Elektroschrott:
The Guardian 1, 2018 ©Maurice Mbikayi @ARTCO Gallery
Bild oben rechts: Resilience, 2012 (2017) ©Gilles Lorin @Kunkel Fine Art
Lorin geht es stets um die Erfassung der Seele des Sujets: In der intensiven Betrachtung folgt man ihm bei seiner Suche nach dem Wesen der Dinge. Auch die Pandemie hat gezeigt, dass Resilienz eine elementare Eigenschaft zur Alltagsbewältigung ist, nicht jede/-r hat aber das Glück, sie ausreichend zu entwickeln. Manchmal hilft ein Hoodie.
Interdisziplinäre Arbeiten zwischen Kunst, Architektur, Film und Mode bildeten einen weiteren Schwerpunkt. So bekommt die an sich neutrale Architekturfotografie bei Daniel Kraus eine überraschend cineastische Wirkkraft und Dynamik. Die ikonographische Lesart ändert sich grundlegend vor dem Hintergrund individueller Assoziationsketten zu Science Fiction Filmen wie Interstellar oder 2001: Odyssee im Weltraum.
Bild unten: Shuttle 03, 2021 ©Daniel Kraus @Quittenbaum Gallery
Die Schweizer Künstlerin Claudia Zweifel malt digital und vollendet ihre Werke analog. So entstehen interessante transparente Überlagerungen, die in ihrer Anmutung an Rothko erinnern:
Bild oben: Blue Cooper, 2017 ©Claudia Zweifel @Galerie Gilla Lörcher
Aneta Kajzers Figuren und Formen teilen sich ihr erst während des Entstehungsprozesses mit, im kreativen Prozess findet sie darauf Antworten:
Bilder oben: ©Aneta Kajzer @Galerie Conrads
Die Fotografin Edith Held führt uns mit Seele, Zartgespür und Gegenwärtigkeit ausgestattet nahe an das Leben und die Menschen heran. Letztes Jahr zeigte sie hier, dass Aliens längst unter uns leben. Das Tragische hat sein Komisches, in jedem Ernst liegt auch Leichtigkeit. Humor ist der Schlüssel, mit dem sie uns eine Welt aufsperrt, die wir sonst nicht sehen könnten. Anders wirklich aber immer besonders…
Bild oben: Homo Sapiens, der moderne Mensch, 2021 ©Edith Held @Galerie Holthoff
Die Malerei von Yongchul Kim fasziniert unmittelbar, sie ist Medium seiner geheimnisvollen Reflexionen und hält Momente von ständig sich verändernden Zuständen fest.
Bild unten links: Hund und Kaktus, 2021 ©Yongchul Kim @Galerie Thomas Fuchs
Bild oben rechts: Ein Junge, 2021 ©Yongchul Kim @Galerie Thomas Fuchs
Letztes Jahr noch faszinierten Peer Kriesels besondere Welten auf BVG-Karten, dieses Jahr nun auch im größeren Format.
Bild oben: ©Peer Kriesel ©Galerie Martin Mertens
Bild im Hintergrund unten links: Membran, 2021 ©Jürgen Durner @Schmalfuss Berlin
Bild oben rechts: Leviathan II [Ausschnitt], 2021 ©Franziska Klotz @GalerieKornfeld
Franziska Klotz verdichtet in ihren zeitgenössischen Historienbildern eine Vielzahl von sehr persönlichen Eindrücken zu autonomen malerischen Kompositionen. Das Unfertige, Vorläufige ist Teil der Werke, und so finden sich detailliert ausgearbeitete Bereiche neben skizzenhaften Partien, bricht das Chaos immer wieder in die wohlüberlegte Ordnung des Bildfeldes ein.
Für Barbara Rosengarth ist eine angedachte Faltung das entscheidende Kompositionselement für die Unregelmäßigkeiten in der Musterung. Sie erzeugt unregelmäßige Linien, schneidet Muster an oder verschluckt sie vollständig und bildet somit neue, zufällige Strukturen.
Bilder oben: ©Barbara Rosengarth @Galerie Nanna Preußners
Bild unten: Jukebox, 2020 ©Jürgen Paas @Schmalfuss Berlin
Martin Böttger erschafft schildartige Skulpturen aus Autoteilen als Schutz in einer dystopischen Zukunft.
Skulpturen unten links: ©Martin Böttger @ODP Galerie
Bild oben rechts: Späti, 2021 ©Christian Hellmich @Galerie LEUENROTH
Bild unten links: ©KITRA @Hilgemann Art
Bild unten rechts: Wandlung ll Tronco, 2021 ©Marc Dittrich @mianki Berlin
Zur Inspiration eine Auswahl aus aktuellen Herren-Kollektionen (*Werbung):
Bild oben: Šviesupė #5, 2020 ©Linas Blažiūnas @Meno Lisa Gallery
Wenn ich kreativ bin, denke ich über Raum und Fläche gleichzeitig nach. Auf einer Fläche zu zeichnen ist für mich interessanter als eine Form herzustellen. Ich kann die Illusion von Formen auf der Fläche abbilden. Ich möchte Illusionist sein. [Linas Blažiūnas]
Die Naturkünstlerin Hilde Trip reorganisiert Natur in genaue Strukturen. Damit fängt sie Schönheit, Verletzlichkeit und Vergänglichkeit von Natur ein und konserviert sie in einem beständigen Kunstwerk.
Bild unten links: Wish Full, 2021 ©Hilde Trip @Schlieder Contemporary
Bild oben rechts: Histoires de Tripes 077, 2019 ©Ghizlane Sahli @Sakhile&Me
Im Bemühen um ökologische Nachhaltigkeit und beeinflusst von ihrem Verständnis von Raum und architektonischer Gestaltung kreiert die marokkanische Künstlerin Ghizlane Sahli aus Deckeln gebrauchter Flaschen, die mit Seidenfäden überzogen sind, dreidimensionale Stickskulpturen.
Bauhaus inspiriert und doch ganz eigen versprechen korrespondierende Linien, architektonische Elemente und freundliche Strukturen auf verschiedenen Ebenen geheimnisvolle Funktionen. Diesen Dingen möchte man doch unbedingt auf den Grund gehen…
Werke oben: Untitled + This Thing 51, 2021 ©Faisal Habibi @Jarmuschek + Partner
Während der Art Week wurden in den Wilhelmhallen, im Kesselhaus der Kindl-Brauerei sowie auf der Fashion Positions diverse interdisziplinäre Arbeiten zwischen Kunst, Mode und Architektur gezeigt. Das Modelabel Brachmann1 transferiert Mies van der Rohes Formensprache in die zeitlos urbane Berlin Capsule Collection, inspiriert von und inszeniert in seinem Haus Lemke in Berlin-Weißensee…
Welches Kleid, welche Mode würde eine kontemporäre Bauherrin Martha Lemke heute tragen? Fließenden Räumen in der Architektur entsprechen in der Ästhetik von Brachmann nicht lediglich fließende Formen oder Stoffe. Mehr noch als diesen entspricht der Wandelbarkeit des Raums in der Architektur eine offene, wandelbare Silhouette in der Mode, die der Trägerin oder dem Träger z.B. durch Gestaltungsoptionen bei Layerings und Verschlüssen eine Vielzahl von Styles bietet.
Die Dreidimensionalität des menschlichen Körpers wird durch die besondere Betonung von Seiten und Rückansicht akzentuiert, so wie der Gestaltungsfokus beim Mies van der Rohe Haus auf der Rückseite zum Garten hin liegt.
Bild unten links: Carne non Locus I, 2021 ©Rene Schoemakers @Karl Oskar Gallery
Manche ihrer Hüte haben schon skulpturalen Charakter: Hutdesignerin Fiona Bennett präsentierte ihre kunstvollen Hutkreationen persönlich.
Die interdisziplinäre Grenzgängerin ist nicht nur eine geniale Hutmacherin, deren besondere Kreationen weltweit geschätzt werden, sondern sie transformiert selbst die Waschräume des Wintergartens oder Wirtschaftsgebäude eines Schlosses in surreale Wunderwelten.
Bild oben: ©Till Galunke, Preisträger des Berlin Hyp Awards 2020
Bild unten: Hot Summer, 2021 ©Jan Ros @Rasche Ripken Galerie
atelierJAK arrangiert Alltagssituationen im Miniaturformat zu variablen Installationen, bei denen Betrachter*innen Großartiges entdecken können.
Bild unten: Indescribable Scenes, 2021 ©atelierJAK
Zur Inspiration eine Auswahl aus aktuellen Damen-Kollektionen (*Werbung):
Für ihren Schmuck überzieht Schmuckdesignerin Luisa Plueger von Atelier Elle Pé Bambusrohlinge mit Gold oder Silber [Foto: ©A. Ametta]. Durch den besonderen Rohstoff variiert die Oberflächenbeschaffenheit und macht jedes Schmuckstück zu einem Unikat.
Bild im Hintergrund rechts: Cali, 2020 ©Raquel van Haver @ARTCO Gallery
Schon auf der POSITIONS 2020 konnte die in Bogota geborene dokumentarische Malerin Raquel van Haver mit ihren stoffartigen Collagen überzeugen, dieses Jahr wurden ihre Werke als Sonderschau gezeigt.
Es gibt Gegenden auf der Welt, da möchte man in Ewigkeit verharren, sich von Licht nähren, auf der Erde liegend der Sehnsucht frönen, sich in ihr auflösen wollen.
Bild unten: Red Montains, 2020 ©Minjung Kim @Galerie Commeter
Fotos: ©MBS
Und für alle, die die POSITIONS 2021 verpasst haben, weitere Impressionen im Video unten2:
Maybe stories are just data with a soul.3
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